Zerebrale Reizüberflutung durch hohen Medienkonsum:
- Bernhard Pohlhammer
- 17. Jan. 2023
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. März
Aktuell und schon seit einiger Zeit sind wir einem sehr hohen Medienkonsum ausgesetzt und dies zeitigt Auswirkungen auf unser Gehirn und unsere Gesundheit.
Eine derartige Wucht an Veränderungen, wie heute gab es selten.
Die Filteraufgabe unseres Gehirns (11.000 Reize je Sekunde und nur 20 - 40 Reize die wir bewußt wahrnehmen) ist enorm und je mehr Reize auf uns einwirken, desto stärker ist unser Gehirn damit beschäftigt. Diese Filteraktivität frißt extrem viel Energie und bedeutet ab einem gewissen Ausmaß auch Einschränkung bei anderen Aufgaben des Gehirns. Viele NeurobiologInnen sprechen bereits von kortikolarer Überlastung und dies nicht nur durch den Medienkonsum, aber auch durch diesen. Alle anderen Veränderungen spare ich in diesem Artikel aus.
Die Medien sind ja auch gezwungen auf die vielen Veränderungen zu reagieren und darüber zu bereichten, wie Klimawandel, Ukrainekrieg, Coronapandemie, Inflation, … um nur die wichtigsten zu nennen. Aber natürlich sind emotionale Nachrichten ein gutes Geschäft und auch deshalb wird auf eine gewisse Art und Weise darüber berichtet, was zu einer noch stärkeren Emotionalität in der Berichterstattung führt, nebst Werbebotschaften, ...
Die Frage ist: Kann unser Gehirn mit all diesen Herausforderungen adäquat umgehen?
Jein, sofern die Geräuschkulisse uns nicht zu sehr vernebelt.
Emotionale Manipulation in manchen Medien noch obendrauf, erschweren uns durch diesen Dickicht an Reizen zu navigieren.
Unsere Strategie ist oft Vereinfachung:
Einfache Erklärungen machen es für das Gehirn einfacher im Alltag zu funktionieren und sind daher Stress vermeidend für die meisten Menschen. Statt weniger zu vereinfachen und sich intensiver mit diesen Themen zu befassen, ist es auch bequemer dies nicht zu tun und zu akzeptieren, was uns vorgesetzt wird. Angesichts der schieren Menge an Werbereizen pro Tag (6.000 Werbereize pro Tag im Durchschnitt), ist es aber kaum verwunderlich, dass Menschen unkritischer werden, womit sie den ganzen Tag konfrontiert werden, auch weil sie sich daran gewöhnt haben und manche Manipulation nicht mehr auffällt. Dies gilt für den weitaus größten Teil der Gesellschaft, beziehungsweise für fast alle von uns, oder wahrscheinlich alle, auch wenn wir uns noch so bemühen.
Dies ist auch eine Erklärung, warum viele Menschen entsprechend auf vermeintlich einfache Lösungen zugreifen und entsprechend wählen. Im Neuromarketing ist das durchaus eine Erfolg versprechende Strategie, die an die Verantwortung von uns Marketern gemahnt, andere Strategien zu entwickeln, die Sinn ergeben und uns Menschen helfen und eben nicht vernebeln, …!
Dazu kommen noch weitere Einflüsse, die es uns sehr schwer machen, in Ruhe über viele Dinge nachzudenken und halbwegs rational zu agieren. Rational im Munde eines NeuroEmployerBranders klingt fast lustig, da die gesamte Fachwelt davon ausgeht, dass wir aufgrund unserer Hirnstrukturen (Limbisches System als Entscheidungsorgan) extrem emotional entscheiden und handeln und sehr selten rational!
Aber entsprechend kommt es darauf an, welche Emotionen uns nahe gebracht werden und genau hier ließe sich ansetzen. Allerdings würde dies einigen Aufwand bedeuten, den wir zumeist nicht bereit sind zu betreiben. Den Dingen auf den Grund gehen und Primärliteratur zu nutzen, wäre hier die entsprechende Antwort, nur wer macht das bei all den Themen?
Wir haben uns an die Situation gewöhnt und der Aufwand für eine Entwöhnung ist groß, auch weil diese vordergründige Bequemlichkeit durchaus seine Vorteile hat. Ob, weil tatsächlich manche Digital Devices, … Vorteile bringen, die wir nicht missen wollen, oder weil wir einer Gruppe zugehörig sein wollen und oder bereits zugehören, die wir nicht missen wollen. Wir tun uns schwer mit Veränderungen generell, weil Gewohnheiten quasi Autobahnen im Gehirn sind, die wir auch aufgrund derer Schnelligkeiten ungern verlassen und welche aufgrund von einstigem Gelernten fußen, welche wir uns teilweise schwer erarbeitet hatten. Insofern vermeiden wir Neues und vielleicht Sinnhafteres.
Noch dazu spielt die Lernfreudigkeit eine bedeutende Rolle, die wir oft insbesondere im Schulsystem aberzogen bekommen. Lernfreudigkeit geht mit Selbstöändigkeit einher und genau diese wird ja meist noch unterbunden.
Darüber hinaus fehlt es an adäquaten Vorbildern, um solche Werte zu vermitteln und wir wundern uns dann über Ergebnisse, die wir so nicht wollten.
Also alles beim Alten lassen und weiter die Tsunamiwelle der Medienlandschaft und deren Folgeerscheinungen ertragen?
Leider jein, da Mediengewohnheiten irgendeinen Vorteil für uns erbringen und wir auch eher reagieren, wenn etwas spektakulär und einfach zu rezipieren ist.
Aber wenn man sich der Manipulation etwas entziehen will, reicht es oft, ein paar kleine Veränderungen vorzunehmen, die keinen enormen Energieaufwand benötigen. So kommt man zwar nur teilweise aus dieser Situation, aber immerhin man wird nicht nur dem Medienkonsum etwas kritischer gegenüber stehen.
Diese möglichen Veränderungen bestehen in einer klaren IST-Analyse mit Hinterfragung des Medienkonsums und dessen Auswirkungen. Natürlich auch in einer Zielformulierung die einfach und gut erreichbar sein sollte. Eventuell, wie in der Wirtschaft, mittels Meilensteinen. Aber dies bedeutet trotzdem Aufwand für das Gehirn und daher sollte man es sich nicht zu schwer machen und das Ziel nicht zu hoch stecken. Ähnlich, wie bei einer Diät, sind es die kleinen Schritte die helfen und nicht das sofortige und völlige Abändern. Zumindest gilt dies für einen Großteil der Menschheit, Ausnahmen bestätigen die Regel!
Sofern man überhaupt etwas ändern will!
In meiner Berufspraxis geht es fast immer um Veränderung und diese Hirn- gerecht zu begleiten ist eine meiner wichtigsten Aufgaben. Dabei geht es immer um klare, transparente Kommunikation von Veränderungen, die keinesfalls über die betroffenen Köpfe hinweg entschieden werden sollten, sondern mit diesen teilweise erarbeitet werden sollten.
Ein wesentlicher Faktor ist die ursprüngliche Auswahl der Medien. Medien auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu scannen ist relativ einfach, diese zu wechseln nicht. Für eine Neuauswahl gibt es zahlreiche Plattformen und Medien, die einem helfen können, sofern man deren Autorität anerkennt, was aufgrund der Fülle an Möglichkeiten nicht immer ganz einfach ist und nicht alle seriös arbeiten.
Manchmal werden tradierte Medien völlig abgelehnt und nur „Eigenerfahrungen“ als Basis anerkannt, was zu einer unglaublichen Verengung des Blickwinkels führt.
Manche Coronaproteste gehen teilweise auf ein derartiges Verhalten zurück.
Schlicht weg vertrauen manche Menschen weder der Wissenschaft, noch den etablierten Medien, oder gar der Politik. Manche vertrauen nur den eigenen Quellen. Dies wäre auch eine teilweise Folge der Medienflut, aufgrund von Falschmeldungen, … so ist für manche Menschen das Vertrauen in Medien erschüttert.
Da Wissenschaft sich oft selbst erweitert, hinterfragt und natürlich auch irrt, bietet sie auch eine große Angriffsfläche für Menschen, die klare und dauerhafte Lösungen suchen. Es geht ihnen um Sicherheit, die unsere Welt nun leider kaum bieten kann. Sicherheit ist aber einer der wichtigsten Faktoren für uns Menschen und diese Sicherheit streben alle an und kommen, je nach Situation und Leben mit Unsicherheit einmal besser und dann wieder etwas schlechter mit Unsicherheit zurecht.
Dem gegenüber stehen jene Menschen, die Medien absolut glauben, was natürlich auch keine gesunde Entwicklung darstellt.

Auch ihnen geht es um Sicherheit als treibende Kraft und sie sehen sich oft ohnmächtig der rasanten Entwicklung unseres Planeten gegenüber.
Hierzu ein Zitat eines von Edward Wilson, Evolutionsbiologe der Harvard University:
„Wir sind durch unsere steinzeitlichen Emotionen, unsere mittelalterlichen Institutionen und unsere Gott ähnlichen Technologien, ins 21. Jahrhundert gestolpert!"
Steinzeitliche Emotionen, weil wir die meiste Zeit unserer Geschichte damit zubrachten, uns zu bekämpfen, zu jagen und zu fliehen. Aus diesem Grund sind wir mit den rasanten Entwicklungen, die Wilson „Gott ähnlich“ bezeichnet völlig überfordert, was uns immer stärker in deren Abhängigkeit zwingt.
Ohne Medien erfahren wir zu wenig von der Welt, also sind wir auf Gedeih und Verderb auf Medien angewiesen, weil wir eben nicht in der Lage sind, all jene Informationen, die wir benötigen, selbst einholen zu können und kaum nur auf Primärquellen zugreifen können, um am Ball zu bleiben.
Dazu kommen noch die verschiedensten KI (=Künstliche Intelligenz) Eingriffe, die es online sehr schwer machen, außerhalb des üblichen Kontextes, zum Beispiel Suchanfragen zu erhalten, die eben nicht mit den üblichen, oder und persönlichen Präferenzen übereinstimmen.
Eine rein kritische Haltung dazu reicht aber nicht aus, um diese Entwicklung zu beherrschen. Es braucht staatliche Eingriffe, ebenso wie jene in der Bildung und in der Gesellschaft. So denke ich, ist das Verbot von Smartphones in Schulen bis zu einem gewissen Alter eine gute Idee!
Aber auch wir als Zivilgesellschaft können daran etwas ändern. Ob es Menschen wie Max Schrems mit seinem NOYB, oder Frau Thunberg sind, um etwas zum Besseren zu entwickeln, oder wir als Individuen bewusster kommunizieren und konsumieren: wir können mitbestimmen, wenn auch nur teilweise und hierfür ist die Auswahl und die Hinterfragung des eigenen Medienkonsums sehr wichtig! Auch welche Social Media-Kanäle wir nutzen und vor allem wie, oder welche Informationsquellen wir generell nutzen, ...
WIR ALLE SOLLTEN UNSEREN MEDIENKONSUM GELEGENTLICH HINTERFRAGEN!!
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