Vorurteile beim Recruiting:
- Bernhard Pohlhammer
- 21. Juni 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. März
Von MMMag. Bernhard Pohlhammer www.fluxuscon.com
Wir alle haben Vorurteile, da sie uns rasch helfen zu entscheiden und zu handeln!
Nach der Definition auf Wikipedia ist ein Vorurteil ein Urteil, das einer Person, einer Gruppe, einem Sachverhalt oder einer Situation ohne eine gründliche und ohne eine umfassende Untersuchung, Abklärung und Abwägung zuteil wird.

Hirn technisch gesehen sind Vorurteile einstige Lernerfahrungen, die besonders verdrahtet sind und entweder durch eigene Erfahrungen, oder durch Erzählungen Anderer, … gebildet wurden und werden. Diese Verdrahtungen entstehen durch Erlernen und sind somit wesentlich schneller und je mehr wir diese bestätigt bekommen, desto stärker wird diese Verdrahtung. Das Hirn verknüpft dieses „Erlernen“ so, dass es später schneller und ohne großem Energieaufwand darauf zurückgreifen kann. Aus diesem Gesichtspunkt heraus, sind Vorurteile sinnvoll, da sie rasch über die Einordnung des Gegenübers entscheiden helfen.
Also Flucht, oder Angriff, als Urform und Grundverhalten unserer Spezies!
Als Human Managementbetraute/r (statt Human Resource Management) muss man aber den Einfluss der Vorurteile berücksichtigen und eventuell gegen diese arbeiten, um sinnvollere Ergebnisse zu erzielen. Insbesondere beim Recruiting, beim Führen, ... insgesamt bei allen möglichen Interaktionen.
Ganz lösen können wir uns von Vorurteilen nicht, aber wenn wir wissen, dass auch wir dieser teilweise unbewussten Einflussnahme unseres Gehirns unterliegen, dann können wir uns immer wieder diese vor Augen führen, sie auf Richtigkeit, oder und Anwendbarkeit hin überprüfen und eventuell diese durch bewusste Interaktion überwinden, sinnentsprechend einsetzen, weglassen, …
Unser Hirn schaltet bei Vorurteilen quasi auf Automatik und genau dies kann uns beim Entscheiden sehr im Wege stehen, nicht nur beim Recruiting, aber auch beim Recruiting.
Alles was uns außergewöhnlich erscheint, wird durch Vorurteile ergänzt, um den subjektiv mangelnden Informationsgehalt aufzubessern. Denn Außergewöhnliches ist meist unbekannt, also ein Mangel an Wissen und somit bedrohlich. Aber auch Übliches unterliegt zahlreichen Wissenslücken, die wir eventuell sozial, oder individuell mit Vorurteilen ausgestalten.
So kommt es zum Beispiel zum sogenannten Erwartungseffekt: man sieht und hört, was man zu erwarten sieht, oder hört.
Oder zu logischen Fehlern: weil man zum Beispiel aufgrund dessen was man vielleicht vorher im CV gelesen hatte, Erwartungen hat, die man dann eher wahrnimmt, als wenn man diese nicht gelesen hätte. Oder man erwartet eine gewisse Intelligenz weil das Gegenüber eine Brille trägt, …
Insbesondere beim Recruiting, sind solche Vorurteile oft hinderlich, da sie den Blick auf die zu beurteilende Person trüben können und sich eben oft keine unserer Vorurteile als zielführend und "objektiv" erweisen. Objektivität ist natürlich im Recruiting ein heeres Ziel, aber quasi unmöglich.
Vorurteile kompensieren mehr oder weniger unseren Mangel an Wissen, wobei man an sich nie genug wissen kann und man immer wieder auf Vorurteile zurückgreifen muss, oder besser eigene Lernerfahrungen, die nicht werten.
Dies ist auch der Grund warum in manchen Regionen dieser Welt Roboter mit künstlicher Intelligenz (=KI) den Recruitingprozess unterstützen, manchmal sogar leiten. Oder, dass man keine Angaben zu Geschlecht, Alter, Herkunft, Religion, … auf Bewerbungsunterlagen akzeptiert und in Dunkelräumen mit Stimmenverzerrern vor Ort auswählt. Die Liste von sogenannten Diskriminierungsfehlern, also abgeleitet Vorurteilsfehlern, ließe sich ziemlich fortsetzen.
Ähnlich versucht man ja mittels Test dieses Problem zu minimieren und bringt einen Großteil der Test in die sogenannte Z-Skala, um Reliabilität, Validität und Objektivität in ein Verhältnis zu bringen. Trotzdem sind beispielsweise Intelligenztests sehr kritisch zu sehen und darüber hinaus, je nach Wertigkeit, einem Wandel unterworfen. Wie aktuell durch den Einsatz von KI ersichtlich, weil oft mindestens repetitive Arbeiten durch diese erbracht werden und wir uns mehr und mehr der Kreativität und der sozialen Interaktion widmen werden.
Aber ein derartiges Vorgehen vermittelt bei der auszuwählenden Person ein Gefühl der Angst und des Unverständnisses. Noch dazu verhalten wir uns Maschinen gegenüber anders als Menschen gegenüber. Es wird auch schon länger diskutiert, wie sehr vorurteilsbehaftet KI ist.
Vielmehr aber ist und bleibt die Disziplin des Human Managements und insbesondere des Recruitings ein bewusst wahrzunehmender und sehr subjektiver Prozess, der in seiner Art und Weise immer wieder auf seinen subjektiven Gehalt hin zu hinterfragen ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wenn man sich immer wieder hinterfragt, Vorurteile durchaus auch positiv sein können, sofern sie beim Auswahlprozess nicht zuviel Macht erhalten.
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