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Bernhard Pohlhammer

Vier-Tage-Woche:

Aktualisiert: 28. Mai

Wer meine anderen Beiträge liest, wird feststellen, dass ich eine gewisse Affinität zu Pausen und oft geringerer Arbeitszeit habe. Überhaupt stelle ich vielerorts und manchmal die Zeit als Indikator für Leistung in Frage. Dies speist sich einerseits aus meiner weltweiten Erfahrung auch mit selbst eingeführten Vier-Tage-Wochen und andererseits aus vielen Studien zu dem Thema. Eine der Studien welche im „the Economist“ beschrieben wurde, möchte ich hier diskutieren. Leider habe ich keinen direkten Zugang zur Studie gefunden: The results are in: the UK's four-day week pilot - Autonomy

Anmerkungen und Setting der Studie:

Die Vier-Tage-Woche ist nur eine Möglichkeit etwas an der Schraube von Work/Life zu drehen, aber eine die gerade mit 2.900 Mitarbeitern in 61 Unternehmen in Großbritannien und in den unterschiedlichsten Branchen und Unternehmensgrößen durchgeführt wurde. Noch dazu ist sie relativ aktuell, weil sie im Februar 2023 herauskam! Großbritannien ist natürlich nicht Österreich, aber es ist doch ein erster Anhaltspunkt, dass die Vier-Tage-Woche für manche Unternehmen eine sinnvolle Möglichkeit darstellt.


Die Studie kurz zusammengefasst:

Die Studie fand von Juni 2022 bis Dezember 2022 statt und wurde im Februar 2023 veröffentlicht.

Zwei Monate wurden die Teilnehmer vorbereitet und informiert, worum es geht, wie genau das Setting aussehen kann und dass die Unternehmen, solange diese 100% des bisherigen Gehalts auszahlen würden, frei in der Wahl der Aufteilung seien.

Genau die freie Wahl bei der Aufteilung, führte zu sehr unterschiedlichen Organisationsweisen und orientierte sich nicht nur am freien Freitagen, sondern ermöglichte eine sehr breite Anwendungsmöglichkeit.

Die Daten wurden per Interviews und per messbarer Daten der Leistungserfüllung zu Beginn, während der Durchführung und zum Schluss erhoben.

91% der teilnehmenden Unternehmen (56 Unternehmen von 61 Unternehmen) wollen die Vier-Tage-Woche weiter ausprobieren und 18 Unternehmen führen sie dauerhaft ein!

Ein paar der wichtigsten Vorteile für ArbeitnehmerInnen war, dass 39% weniger Stress empfanden und 71% weniger Burn Out nach dem Projekt verzeichneten. Darüber hinaus wurden weitere gesundheitlich positive Effekte von den Mitarbeitern berichtet.

Work/Life Balance wurde positiver betrachtet und insbesondere andere, nicht berufliche Aufgaben, wurden so besser und einfacher untergebracht.

Aber auch die Arbeitgeberseite verzeichnete ein Umsatzplus von 1,4% und so liegt die Vermutung nahe, dass durch die Arbeitszeitreduktion, bei voller Zahlung, keine negativen Ergebnisse zu beobachten waren.

Die Fluktuationsrate sank signifikant. 15 % der Belegschaften, würden keine Fünf-Tage-Woche mehr wollen, auch wenn sie dafür mehr bezahlt bekämen.

88,8% der Befragten lebten zu dem Zeitpunkt in Großbritannien.

Alles in Allem ist die Studie ein Hinweis darauf, dass Arbeitszeitreduktion unter gewissen Umständen ein Erfolg für beide Seiten sein kann.


Kommentierung der Ergebnisse durch Bernhard Pohlhammer:

Zuerst möchte ich darauf verweisen, dass Tage eine sehr grobe Annäherung von Produktivität und Work/Life-Balance darstellen (noch dazu war die tatsächliche Arbeitszeit im Schnitt 34 Stunden, statt 32 Stunden). Eventuell wäre eine stündliche Annäherung hinsichtlich einer optimalen Verteilung und je nach Unternehmen geeigneter. Aber eine Vier-Tage-Woche bedeutet eben vier Tage Arbeit und somit drei Tage frei. Dies ist leichter darstellbar, als genauere Werte und die Varianz, die sich aufgrund der unterschiedlichen Unternehmensbranchen und Größenordnungen ergeben.

Als politisches Signal allerdings kann es sehr wirkungsvoll sein.


Das Foto des Hundes habe ich ausgewählt, weil es lustig ist und nicht weil ich damit eventuell sogar Faulheit andeuten wollte!



Darüber hinaus ist der sehr flexible Arbeitsmarkt in Großbritannien mit österreichischen Strukturen nicht vergleichbar. Weder die rechtlichen Rahmenbedingungen, noch die volatilere Arbeitsmentalität ist auf Österreich übertragbar. Auch sind die Mitbewerbsverhältnisse in größeren Städten mit jener am Land nicht vergleichbar. Denn, wenn ich am Land wechseln will, habe ich weitaus weniger Möglichkeiten, als in einer prosperierenden Stadt. Noch dazu ist Großbritannien sehr dienstleistungslastig (nur 7% in der Studie sind Hersteller, während zum Beispiel 18 % der Unternehmen aus dem Marketing und der Werbung kamen), also stärker auf ihre Mitarbeiterschaft angewiesen und natürlich ist der Beobachtungszeitraum wahrscheinlich zu gering, um zuverlässige Daten zu ermitteln. Noch dazu fällt dieses Projekt immer noch in eine Corona bedingte Zeit. Der Zusammenhang mit Corona dürfte aber der Ursprung dieses Projektes sein, weil man insbesondere in Lockdownzeiten auf Homeoffice und geringere Arbeitszeiten angewiesen war. Für Dienstleistungsunternehmen können klarere Folgerung abgeleitet werden als für Hersteller, … Auch die Mitarbeiterzahl der teilnehmenden Unternehmen, weisen eher kleinere Unternehmen aus, als große, was mit der österreichischen Landschaft schon eher korreliert und natürlich haben von den 2.900 MitarbeiterInnen nicht alle alles beantwortet, was aber im Schnitt der meisten Studien ist. Ich selbst habe vor Jahren auch in England eine Art Vier-Tage-Woche eingeführt, die entsprechend der Bedürfnisse der ArbeitnehmerInnen regelmäßig (4 Jahre lang) evaluiert wurde, um dauerhaft eine gute Lösung zu finden. Das immer noch praktizierte Ergebnis sind in dem von mir betreuten Fall 30 Stunden, aber mit einer Durchrechnungsmöglichkeit auf das ganze Jahr verteilt, mit maximal 40 Stunden. Dies in einem großen Dienstleistungsunternehmen.

Mit 62 % der Befragten, nahmen Frauen an der Studien teil, was eher mit dem dahinter liegenden Motiv nicht bezahlter Hausarbeit einher zu gehen scheint, als wenn es gleichmäßig verteilt gewesen wären, auch wenn dies hoffentlich bald ein reines Vorurteil sein wird!

Die Altersverteilung war relativ gleich, was je nach Branche auf Österreich gut übertragbar wäre.

Die Aufteilung der Arbeit war sehr unterschiedlich und ging von klarer Freigabe des Freitags oder Montags bis hin zu wöchentlicher Änderung, oder zu Aufteilung in Halbtage, oder auch bis zu saisonalen Durchrechnungszeiträumen. All dies hat unterschiedliche Auswirkungen auf ArbeitnehmerInnen und kann daher kaum einheitlich als Modell erkannt werden. Denn wenn GastromitarbeiterInnen in der Hauptsaison viel arbeiten und in der Nebensaison weniger, dann ergibt sich daraus keine sinnhafte Aussage darüber, ob weniger Arbeit gut für die Work/Life-Balance ist. Aber vielleicht ist diese Annahme, dass dadurch das Wohlbefinden der Mitarbeiterschaft steigt, eine zu grobe Vereinfachung und eben nicht auf alle Branchen, Mitarbeitertypen, … und Umstände anwendbar.

Nichts desto trotz, zeigt diese Studie, mit immerhin 2.900 TeilnehmerInnen, dass Arbeitszeitverkürzungen durchaus einen positiven Effekt für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zeitigen können. Auch wenn diese Studie viele Einschränkungen hat, wie vorhin beschrieben, so zeigt sich eine deutliche Tendenz, dass weniger Arbeit nicht unbedingt mit weniger Umsatz, weniger Produktivität, … einher gehen muss. Gerade die Produktivität steigerte sich, weil man mehr darauf achtete, dass man in der verkürzten Zeit eher produktiv sein wollte, als in regulären Zeiten. Sitzungen wurden wesentlich kürzer, Mailverkehr effizienter, das Augenmerk auf Zeitersparnis war ausgeprägter, manche Reorganisationsschritte wurden dadurch ermöglicht, … Dies dürfte einer der positiven Effekte sein, die den Umsatz mit 1,4% sogar leicht steigern half, auch wenn nicht alle teilnehmenden Unternehmen ihre Zahlen bereitstellten.

Die Vorteile für MitarbeiterInnen scheinen auch sehr groß zu sein, weil dadurch mehr Qualitätszeit mit der Familie und somit Erholung stattfand. Oder weil eben die Burnout-Rate geringer ausfiel und auch Krankenstandstage signifikant zurück gingen. 90% der befragten MitarbeiterInnen wollten so weiterarbeiten. Auch die Zeit Einkäufe zu erledigen wurde positiv beurteilt, so, dass auch mehr Geld ausgegeben wurde, was der Wirtschaft zugutekam.

ManagerInnen berichteten, dass die Fluktuationsrate massiv fiel, die Arbeitgebermarke wesentlich attraktiver wurde, sich deshalb mehr neue und gute MitarbeiterInnen bewarben, die Arbeitskultur sich verbesserte, der Output stimmte, … und die Umstellung sehr rasch und ohne gröbere Anstrengung erfolgte. Gerade bei der Umstellung ist zu berücksichtigen, dass diese Anstrengungen durch die vorgeschaltete zweimonatige Informationsphase der Studiengestalter erleichternd dazukam!

Noch dazu war der Zeitraum teilweise günstig, um eine derartiges Experiment zu wagen, weil Corona ohnehin bereits Änderungen bedingte. Auf der anderen Seite, war die Konjunkturunsicherheit gerade in Großbritannien (Brexit, hohe Inflation, …) sicherlich ein Punkt, der hier zu berücksichtigen ist. Durch diesen konjunkturellen Umstand ist das Ergebnis der Studie wirklich erstaunlich, da normaler Weise durch Unsicherheit Angst entsteht und die Befunde der TeilnehmerInnen aber auf das Gegenteil hinweisen; siehe Zufriedenheit, Gesundheit, …

Wenn selbst unter solchen Rezessionsbedingungen, wie in UK, derart positive Ergebnisse zu verzeichnen sind und dies trotz aller Einschränkungen, die ich darstellte, ist die Vier-Tage-Woche ein für einige Unternehmen auch in Österreich interessantes Modell. Sicherlich nicht für alle in der beschriebenen Form sinnhaft, aber durchaus ein Weg, um die eigene Arbeitgebermarke besser zu positionieren, sofern dies nicht bereits der gesamte Mitbewerb tut. Darüber hinaus schont es auch Ressourcen und schafft offenbar ein angenehmeres Miteinander.

Aus meiner Neurosicht, sind Pausen und kürzere Arbeitszeiten durchaus physiologisch sinnvoll, weil unser Gehirn mit sehr vorstrukturierten Zeiten nicht konfliktarm umgehen kann und es relativ rasch ermüdet und so weniger leisten kann, als potentiell möglich. Darüber hinaus ist weniger Arbeit motivierend und frustrierend zugleich. Denn einerseits freue ich mich, wenn ich die Arbeit in kürzerer Zeit erledigt habe, andererseits kann mich genau dies unter Druck setzen, vor allem wenn zu viel Arbeit vorhanden ist.

Oft ist auch das geringe Arbeitskräfteangebote ein Grund, warum dies nicht für alle und immer machbar ist.

Meiner These nach, die ich bereits in anderen Artikeln beschrieb, ist Arbeitszeit ohnehin nur ein wichtiger Faktor, da Zeit nicht immer mit Arbeitsqualität (Output) einher geht und Menschen durch feste Zeiten weniger Kreativität entfalten und Zeit mitunter absitzen, ohne Sinn dahinter zu erkennen, … Trotzdem erkenne ich auch aus Sicht unseres Gehirns positives Potential und eine Aufweichung der starren Stechuhrmentalität. Die gesetzliche Situation mag von dieser Möglichkeit der Vier-Tage-Woche manchmal abweichen, aber es ist aus meiner Sicht nicht so sehr das starre Konzept der Vier-Tage-Woche, welches MitarbeiterInnen und ArbeitgeberInnen motiviert, sondern das gegenseitige Berücksichtigen der jeweiligen Bedürfnisse, welche motivieren. Insbesondere in einer Zeit, in der Arbeitskräfte und Unternehmen in einem weltweiten Mitbewerb stehen, kann die Antwort in Österreich nur auf der qualitativen Seite liegen, weil wir quantitativ nicht mithalten werden können.

Umso wichtiger wäre auch, in die Personalentwicklung zu investieren, was im Rahmen dieses Projektes nicht berücksichtigt wurde und eventuell den Rahmen gesprengt hätte.

Dem gegenüber steht eine doch repräsentative Zahl an TeilnehmerInnen und Unternehmensbranchen und Größenordnungen, die durchaus Relevanz darstellt.

Als Berater gehe ich eher auf die individuellen Situationen ein, als generell eine Vier-Tage-Woche zu propagieren. In meiner Vergangenheit konnte ich vier Projekte mit dem Ergebnis Vier-Tage-Woche abschließen, welche meines Wissens nach bis auf eine Projekt alle noch bestehen. Allerdings waren damals die Ängste auf beiden Seiten enorm und die Bereitschaft zur Änderung auf meist einer Seiten eher nicht wirklich ausgeprägt.

Die sinnhafte Einführung und Umsetzung dauerte Jahre, um volle Akzeptanz zu erhalten und das optimale Zeitprogramm zu entfalten. Oft war es ein Mischprogramm mit gewisser Flexibilität. So startete ein Programm mit Mittwochs frei, um dann später den Montag statt dessen als freien Tag zu nutzen, … . Aber in allen Fällen sicherten sich die ArbeitgeberInnen eine Option auf Mehrarbeit, falls dies plausibel und nicht anders umsetzbar erschien. Natürlich wurde diese Option zeitlich beschränkt und auf maximal 45 Stunde die Woche limitiert. Diese Option wurde aber nur in Übereinstimmung mit den ArbeitnehmerInnenvertreterInnen beschlossen und zeitlich maximal 8 Wochen gewährt. Entsprechende Automationsschritte begleiteten diese Prozesse, ohne die MitarbeiterInnenanzahl zu gefährden. In allen Fällen handelte es sich um eher große Unternehmen. Für mich waren und sind Vier-Tage-Wochen eher ein Ergebnis von allen Umständen und immer mit einer gewissen Flexibilisierung der Arbeitszeit verbunden. Arbeitsproduktivität stand eher im Vordergrund und sofern möglich, war und ist Arbeitszeit dann eher ein Begleiteffekt, versehen natürlich mit entsprechenden Grenzen. Soll heißen, dass wenn eine Person das jeweilige Ziel erreicht und dafür 3 Stunden des Tages braucht, dann kann diese Person Freizeit genießen und nur zu gewissen Zeiten kann diese Person auch vom Unternehmen her kontaktiert werden. Braucht diese Person einen anderen Tag aber 11 Stunden, dann ist dies die Obergrenze, die dieser Person an einem Tag zumutbar ist. Über die Durchrechnungszeiträume gemessen, gleichte sich das öfter auf deutlich weniger als 40 Stunden je Woche aus. Je nach Situation, Branche und Größe natürlich und immer mit entsprechend leistungsfähiger Software! Oft dauerte die Einführung der entsprechenden Software länger, weshalb man einen eher großzügigen Zeitrahmen für die wirkliche Umsetzung setzen sollte. Daher auch meine Kritik an der mit sechs Monaten limitierten Studie. Natürlich ist praktisch jede Studie zahlreichen Verzerrungen unterworfen, was sich allein schon aus der Natur der Sache ergibt und deshalb werte ich diese Studie trotz der beschriebenen Verzerrungseffekte, … als positives Zeichen einer bis vor kurzem in Österreich kaum diskutierten Möglichkeit der zeitlichen Gestaltung. Dies aber verbunden mit der Hoffnung, dass dies nur ein Faktor der möglichen Qualitätssteigerung für beide Seiten darstellt und nicht als einziger Faktor berücksichtigt wird! Darüber hinaus ist der Arbeitsschub je Unternehmen, Situation und Reglement nicht vergleichbar, weshalb wirklich individuell entscheiden werden muss, ob eine Zeitverkürzung Sinn ergibt. Noch dazu gibt es je Unternehmen viele unterschiedliche Motivatoren, die ebenfalls Einfluss nehmen und berücksichtigt werden müssen.

Für Infos, Feedback, Fragen und Anregungen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung: www.fluxuscon.com

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